Ananas [abc.etüde] 》 Kurzgeschichten

Weil ich beim letzten mal soviel Spaß beim Schreiben der abc.etüden von Christiane hatte, möchte ich mich auch in dieser Runde daran versuchen. Die Wörter kamen vom Blog Geschichtszauberei und lauten (das) Café, verdorben und beißen.

Viel Spaß beim Lesen 🙂


Ananas

Sie starrte auf das dünn geschnittene Stück Torte, das der freundliche Kellner gerade auf ihrem Tisch absetzte. Hübsch dekoriert mit Ananas-Herzen und Schokostreuseln lag es köstlich anmutend vor ihr.

Sie war völlig in ihre Zeichnung versunken, hatte ganz die Zeit vergessen während sie in diesem hübschen Café in der Sonne saß.

„Wir testen neue Geschmacksrichtungen und würden uns sehr über Ihr Feedback freuen. Das hier ist eine Schoko-Creme-Torte mit Pistazien-Kokosmouse und frischen Ananas-Herzen“, sagte er freundlich lächelnd zu ihr und verschwand auch gleich wieder als Sie ihm zunickte und sich bedankte.

Ananas. Sie liebte diese Frucht als Kind. Bis kurz nach ihrem zehnten Geburtstag, seit damals hatte sie nie wieder ein Stück gegessen.

Damals, als ihre Eltern ihr vorschlugen doch mal eine Ananas-Diät zu machen. Sie war ein kleines bisschen pummelig, das hatte sie aber nie gestört. Als ihr Papa ihr dann aber sagte, dass sie dick sei und er dicke Leute hässlich findet und die auch alle faul wären, änderte sich das. Sie wollte nicht faul sein. Und sie wollte vor allem nicht hässlich sein.

Also war sie Feuer und Flamme über die Chance, die ihr diese Ananas-Diät doch bot. Könnte sie so schließlich etwas tun um ihrem Papa wieder zu gefallen. Sie wollte ihm so gern gefallen.

Sie aß drei Tage lang nur Ananas, biss nicht einmal den Knörzel vom Baguette ab wie sie es eigentlich immer tat wenn sie mit Mama beim Bäcker war. Aber dann konnte sie nicht mehr. Die Ananas kamen ihr zu den Ohren raus. Ihre Eltern prophezeiten ihr daraufhin wohl immer dick zu bleiben.

Hanna schob das Stück Torte von sich und biss auf den Bleistift in Ihrer Hand. Die Lust darauf hatte ihr Vater ihr vor 25 Jahren verdorben. Tränen stiegen in ihr auf.

21 Kommentare zu „Ananas [abc.etüde] 》 Kurzgeschichten

  1. Eine Diät. Mit 10! Um dem Vater zu gefallen!
    Ich finde es gerade sehr gruselig, und der Verdacht, dass du damit recht haben könntest, dass es das öfter gibt, macht es nicht besser. Die Arme.
    Aber eine hervorragende Geschichte, herzlichen Dank, wie schön, dass du wieder dabei bist!
    Liebe Grüße
    Christiane

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    1. Traurigerweise ist das sicher kein Einzelfall. Die Diät ist da nur der Höhepunkt einer Kindheit in der ein völlig falsches Körpergefühl geschaffen wurde. Vom geringen Selbswert des Mädchens ganz zu schweigen.

      Ich freue mich, wenn die Geschichte etwas zum Nachdenken anregt, vielen Dank für dein Feedback.

      Liebe Grüße
      Sophie

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      1. Tut sie – ich denke gerade, dass ich Glück hatte 😔, dass meine Eltern in diesem Punkt besonnen reagiert haben. Ich hatte das Problem wenigstens erst ab der Pubertät, mich zu dick zu fühlen.
        Mir tun die Kids so leid, die auf Teufel komm raus in irgendeine Form gepresst werden …

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      2. Wenn schon die Eltern nicht hinter einem stehen, wer denn dann, nicht wahr. Dann wird die Pubertät als „Pummelchen“ erst recht schwer, wenn man dann vielleicht auch noch einen blöden Spruch von Klassenkameraden oder wem erhält, bestätigt das ja nur das falsche Selbstbild und der Teufelskreis geht weiter.

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  2. Oh Mann – so ein Mistkerl. Aber ich hab im Bekanntenkreis auch solche Eltern. Die Tochter war immer pummelig – und sie haben immer mit ihr geschimpft, sie sei zu dick und das würde bei einem Mädchen nicht schön aussehen. Unmöglich. Schade um die leckere Frucht und die Seele des 10 jährigen Mädchen.

    Danke dir für den Beitrag.

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    1. Das ist echt traurig, es macht so viel kaputt. Das Mädchen wird sich immer unter Wert verkaufen, weil es denkt es muss froh sein überhaupt gemocht zu werden… ist es doch schließlich dick und somit nicht schön. Das begleitet einen das ganze Leben wenn man diese falschen Glaubensmuster nicht aufgelöst bekommt. Das arme Mädchen, ich kann mit ihr fühlen.
      Danke für deinen Kommentar, es freut mich, wenn dir mein Beitrag gefällt. Liebe Grüße Sophie

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      1. Ja, es war immer schlimm das mitzubekommen. Wir haben dann irgendwann auch den Kontakt abgebrochen. Sowas in der Freundschaft brauche ich nicht – ab und zu sieht man sich – die Tochter ist jetzt erwachsen, immer noch pummelig, scheint selbstbewusst zu sein, aber wer weiss schon was hinter der Fassade schlummert.

        Liebe Grüsse

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  3. Wenn das autobiographisch ist möchte ich dir tröstend sagen, dass ich auch einen Arschloch-Vater hatte. Ging nicht um „dick“, sondern etwas völlig unabänderliches: ich bin sehr groß geworden, am Ende 1,84m. Was ich mir da von meinem Vater anhören musste („wenn du tief einatmest, sitzt dir dein Mann quer unter der Nase“, „stellste zwei übereinander“ – er meinte Männer) Nun also noch dazu meinen Wert nur über die Männer festgemacht, die mich mit 14-15 Jahren gar nicht interessiert haben. Am Ende hat er mir mindestens 10 Jahre gestohlen, in denen ich schon hätte stolz auf mein Größe sein können. (Bin etwas „älter“, heutzutage sind die Mädels ja soweiso oft so groß- und mit Recht stolz drauf). Werd ich gleich wieder sauer. Arschloch!! (Sorry).
    PS: ich hab meinem Sohn allerdings irgendwie Bananen versaut, weiß aber nicht wie 😉 (er auch nicht).

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    1. Vielen Dank für deinen netten Kommentar, da hatten wir wohl ähnliche Schwierigkeiten mit unseren Vätern. Ja, es ist tatsächlich autobiographisch, allerdings habe auch ich es mittlerweile gut verarbeitet, ich ess auch hier und da mal wieder ein Stück Ananas, allerdings nicht mehr so gern wie früher 😉 es hat lange gedauert ein verhältnismäßig normales Essverhalten zu entwickeln und zu merken, dass ich völlig okay bin und mich nicht über eine Kleidergröße definieren muss.
      Ich wünschte manche Eltern wären sich bewusst darüber, was sie mit so blöden Sprüchen anrichten. Wobei es auch bei mir, wie bei dir ja auch, nicht nur bei einem Spruch geblieben ist. Jahrelanges Kontroll-Wiegen, Vergleiche mit dem schlanken Nachbarskind und und und, dabei war ich nicht mal besonders dick wenn ich mir alte Bilder heute angucke. Nun ja, Die Zeit ist zum Glück vorbei und jetzt liegt es an mir, es bei meiner Tochter besser zu machen.

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  4. Toll geworden!

    Hannas Vater erinnert mich an meine Mutter als ich so 11/12 war, also nur wenig älter als Hanna. „Du hast bestimmt einen Bandwurm, wie du frisst..“, „So fett wie du wirst, bist du irgendwann eine rollende Tonne…“ Damals wusste ich nicht, dass ihr Körpergefühl kaputt ist und sie das mit allen Frauen, die größer als 36 tragen macht. Gleichzeitig – jetzt kommt der Widerspruch, ich wusste nicht, dass sie psychisch krank ist und sowas ein Teil ihrer Krankheit – durfte man sich bei uns nicht gesund ernähren. Aber nur weil Madame sich nach einer Tafel Schokolade (Obst ist ja bäh) Abführpillen einverleibt, muss ich das nicht machen. Punkt.

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  5. Ja, als Kind dringt sowas ungefiltert zu einem durch, die Wahrheit der Eltern ist die Eigene. Es scheint leider viele kleine Hannas zu geben… Ihnen allen sei gewünscht diesen Kreislauf zu durchbrechen und zu erkennen, dass sie mehr sind als eine Kleidergröße oder sonst ein eingeredeter Schönheitsmakel.
    Danke für deinen ehrlichen Kommentar, es freut mich sehr, dass Hanna mit ihren Sorgen und Gedanken nicht alleine ist.

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  6. Als Mann kenne ich eigentlich niemanden in meinem Bekanntenkreis, der so etwas durchmachen musste, ich selbst auch nicht. Deswegen wundere ich mich auch immer, dass es seit gefühlt 50 Jahren jede Woche eine neue Brigitte-Diät gibt (die wirklich ultimative) und ihr Frauen darauf abgeht. Klar, wir wünschen uns alle eine attraktive Frau, aber wichtiger ist doch, dass sie selbst sich wohl fühlt in „ihrem“ Body, und selbstverständlich sollte es sein, seinen Partner eben darin zu akzeptieren und bestärken.Aber das ist natürlich leicht gesagt, weil wir diesem Druck so nicht nicht ausgesetzt sind.

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    1. Ich habe erst durch meinen Mann gelernt mich völlig zu akzeptieren und zu erkennen, dass mein Selbstbild ein völlig falsches war. Selbst ernstgemeinte Komplimente können da als Hohn empfunden werden. Oftmals sucht man sich im späteren Leben dann einen Partner der ähnlich verzerrte Idealvorstellung wie der eigene Vater hat und diese auch bei jeder Gelegenheit kund tut. Und schon sieht man den eigenen Makel wieder einmal bestätigt. Es dauert lange das abzulegen, wenn man es überhaupt je tut.

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  7. Ach Mensch, so unnötiges Leid…
    Bis jetzt war die „Ananas-Diät“ für mich ein Familienwitz.
    Meine Schwester, die nie dick war und zumindest von meinen Eltern auch nicht dick gefunden wurde, „musste“ diese Diät mal unbedingt machen.
    Meine Eltern haben sie gewähren lassen.
    Zum Frühstück aß sie Ananas.
    Zum Mittag streute sie sich Haferflocken drauf, weil der Geschmack plötzlich so komisch wurde.
    Zum Abendbrot war die „Diät“ Geschichte. Sie erzählt die Anekdote selbst gern – aber nun stelle ich mir gerade vor jemand hätte sie gezwungen und dann wäre wirklich nichts mehr lustig daran.
    Hst du Ananas mal gegrillt probiert? Das kebnne ich nun ausgerechnet von meiner Schwester und mag es sehr gern.
    Liebe Grüße
    Natalie

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